Aus DGoZ 4-6/2002

Karl-Ernst Paech zum 80. Geburtstag



Am 5.8.2002 feierte Herr Paech seinen Jubelgeburtstag. Herr Paech war lange Jahre Präsident des Bayerischen Go-Vereins und des Deutschen Go-Bundes. Der Deutsche Go-Bund würdigte sein außerordentliches Wirken für das Go in Deutschland, indem er ihn mit dem Titel des Ehrenpräsidenten auszeichnete.

Die folgenden Beiträge beruhen auf Gesprächsmitschriften , die Karl Scheitler bei mehreren Besuchen in der Wohnung von Herrn Paech anfertigte.


K. Sch.: Herr Paech, wären Sie bitte so freundlich, zu Anfang erst einiges über Ihren Lebensweg zu erzählen?

Paech: Ja also, geboren wurde ich in Hannover. Mein Vater war in der Finanzverwaltung tätig, er fungierte als Richter am Bundesfinanfhof. Ich war der ältere von zwei Söhnen. Nach der Volksschule besuchte ich ein humanistisches Gymnasium. 1936 zogen wir nach Wiesbaden. Dort im Jahr 1937 kam ich zum ersten Mal mit Go in Kontakt. Im "Völkischen Beobachter" war eine teelgraphische Go-Partie von Herrn Fritz Dueball mit dem japanischen Landwirtschaftsminister abgedruckt. Ich selber hatte bislang Schach, Bridge und Skat gespielt. Meine Familie zog schon nach kurzer Zeit nach Nürnberg. Ich erinnere mich noch gut an meinen ersten Nachmittags-Spaziergang durch die Straßen Nürnbergs. Ich kam an einem Spielwarengeschäft vorbei, wo ich für 5 Reichsmark mein erstes Go-Spiel erwarb. Nach dem Studium der Regeln mußten mein Bruder und Freunde für erste Experimente herhalten. Im März 1940 legte ich in Nürnberg mein Abitur ab und immatrikulierte mich für das 1. Semester in Erlangen für die Fächer Jus und Volkswirtschaftslehre. Bei der Reihenpflichtuntersuchung wurde bei mir eine Lungen-Tbc festgestellt, was mir für einige Jahre gesundheitliche Probleme und 2 Jahre Sanatoriumsaufenthalt einbrachte. Auch meine Mit-Patienten in der Klinik wurden natürlich mit dem Go-Spiel bekanntgemacht. Aber das Spielniveau ging kaum über simples Steinchensetzen hinaus. 1946 gesundete ich völlig und hatte seitdem gottlob keine Beschwerden mehr. 1941 wechselte meine Familie den Wohnsitz nach München. Während des Umzugs gab es den ersten Luftangriff auf Nürnberg, bei dem leider viele meiner Bücher verbrannten, unteranderem auch die damals schon umfangreiche Sammlung an utopischen Romanen. In München trat ich dem renommierten "Schachclub München 1836" bei, in dem z.B. Wolfgang Unzicker mitwirkte. Im Schachclub wurde damals auch Go gespielt. An einem der ersten Spielabende wurde ich zu einer Go-Partie eingeladen: Mein Gegner fragte mich, wieviel Steine Vorgabe ich nehmen wollte. Stolz wollte ich ein Handicap ablehnen. Er bestand auf 9 Steinen - und ich verlor die Partie haushoch. Nach heutigen Maßstäben hatte er vielleicht die Spielstärke eines 2. kyu. - Es gab in München noch eine Go-Runde im Cafe am Odeonsplatz, und einen Spielort Ecke Theresien/Amalienstraße. Dort kümmerte sich v.a. Herr Hertlein um mich. Er verkaufte mir den "Großen Rüger". Hertlein war 9. kyu, ich war da noch in der 50. Klasse. Später nahm Hertlein von mir 9 Steine Vorgabe... Herr Hertlein war ein wahres Sprachengenie, er beherrschte an die 20 Fremdsprachen. Die Spielorte fielen bei den Bombenangriffen in Ruinen, und natürlich ging auch das Spielmaterial verloren. Nach dem Krieg blieben als Spieler nur noch Herr Hertlein und Rechtsanwalt Troll (er war Klasse 28, und ich gab ihm 3 Steine vor), wir trafen uns zum Spiel Zuhause. Bei einem seiner Besuche sprach mich Hertlein darauf an, ob ich mich nicht für Esperanto interessieren könnte. Der Zufall wollte es, dass zu der Zeit gerade Herr Prof. Hösl in der Wohnung meiner Familie in der Tengstraße einquartiert war, und er hatte ein Lehrbüchlein über Esperanto aus den Vorkriegsjahren bei sich, Ich vertiefte mich darin soweit, dass ich selbst in einem Jugendzentrum einen Einführungskursnin das Esperanto anbieten konnte. Hier habe ich meine spätere Ehefrau kennengelernt. Sie wollte eigentlich in dem Zentrum einen Englischkurs belegen, aber sie entschied sich, bei Esperanto zu bleiben - und bei mir. Das war im Jahre 1949. Seit 1944 stand ich in Korrespondenz mit Herrn Rüger. Wir spielten einige Fernpartien. Während dieser Partien verbesserte sich meine Spielstärke beträchtlich, und die Partien wurden dann nicht mehr beendet.

- 1945 legte ich das erste Staatsexamen in Jura ab und begann meine Referendarszeit, in der ich als Anwalt und bei einem Gericht tätig war. 1949 folgte das Assesorexamen. Seit 1951 war ich als Rechtsanwalt tätig.Meine Schwerpunktgebiete waren das Erbrecht, Konkurse und - im Rahmen meiner Kanzleitätigkeit - auch Scheidungen und überhaupt das Familienrecht. Seit 1950 war ich in der Rechtsabteilung der Hypo-Bank tätig. Mir oblagen das Personalrecht und Arbeitsrecht - immerhin für etwa 12000 Angestellte des Unternehmens. Das war mein Tätigkeitsfeld bis zu meiner Pensionierung im Jahre 1986.

1952 heiratete ich meine Gerda. Natürlich musste auch sie Go spielen lernen. Sie erreichte eine Spielstärke von etwa 15. Kyu. Als dann unsere Kinder kamen, hatte sie keine Zeit mehr. Unsere beiden Töchter wurden 1955 und 1959 geboren. Die ältere wurde Fachärztin für Psychiatrie, die jüngere Informatikerin. In ihren Familien gilt ein strenges Verbot, Go zu spielen. Niemand sollte dem schlechten Vorbild des Vaters folgen, immerhin spielen manche der 5 Enkel gelegentlich etwas "Gobang".

K. Sch.: Ich hatte ka selbst die Gelegenheit, ihre Gattin kennzulernen und - wenn ich das persönlich anmerken darf - hatte durchaus den Eindruck, dass sie Ihr großen Hobby liebevoll und mit viel Verständnis annahm. Aber, lieber Herr Paech, ich wüßte gerne, ob Sie noch andere Interessen und Neigungen verfolgen.

Paech: Durchaus. So war und ist für mich die Musik sehr wichtig. Mit 5 Jahren lernte ich das Klavierspiel. Ich hatte immer wieder auch damit öffentliche Auftritte (mit Etüden von Franz Liszt etwa), die in den letzten Jahren natürlich seltener wurden. Immerhin fand sich in meinem Altersrefugium noch Platz für ein elektronisches Klavier. Ich bin noch immer ein eifriger Konzertbesucher (Herr Paech verriet mir, dass er 5 verschiedene Abonnements hält, Anm. K. Sch.), wobei ich besonders der Kammermusik zuneige. Aber auch den Tristan oder Werke von Strauß oder Rachmaninoff schätze ich sehr. Nicht so erwärmen kann ich mich hingegen für die moderne Musik.

K. Sch.: Was lesen Sie gerne, Herr Paech?

Paech: Besonders gerne lese ich Wilhelm Busch oder Balladen von Ringelnatz. Als Junge verschlang ich Karl May, in den Studienjahren arbeitete ich mich durch Spenglers "Untergang des Abendlandes". Im ganzen ziehe ich "optimistische" Lektüre vor, Thomas Mann hat es mir nicht so angetan.

K. Sch.: Mit Vergnügen erinnere ich mich, wie Sie es verstehen, eine Tischgesellschaft mit spontanen Rezitationen von Balladen - entsprechend effektvoll vorgetragen - zu unterhalten.

Paech: In besonderem Maße beschäftige ich mich mit Science Fiction Literatur. In einem Kaufhaus in Hannover gab es z.B. eine Kinderzeitschrift mit dem Titel "Der Papagei". Auch in der Atlan-Serie war von Robotern und Raumschiffen zu lesen. Von den Perry-Rhodan Zukunftsromanen besaß ich fast alle Hefte. Wenn ich den Wert meiner Sammlung beziffern sollte, käme ich auf einen sechsstelligen Betrag. Seit 1956 war ich Mitglied des Science Fiction Club Deutschland (jetzt bin ich Ehrenmitglied in diesem Verein) und fand Kontakte bis hin zu japanischen Science Fiction Fans.

K. Sch.: Was finden Sie so faszinierend an dieser Thematik?

Paech: Hauptsächlich war es für mich ein Spiel der Phantasie. Sicher interessieren mich auch die technischen Aspekte. Aber vor allem eben war es das Wandern im Reich der Phantasie. Ich beschäftigte mich auch mit parapsychologischen Phänomenen wie PSI-Fähigkeiten, Hypnose oder Suggestion. Aber um Sie zu beruhigen: Ich glaube nicht an Ufos oder außerirdische Wesen.

K. Sch.:Haben Sie Interesse an religiösen Themen?

Paech: Ich bin da wohl erblich etwas vorbelastet, beide Großväter waren Theologen, die später im Lehrfach landeten. Meine Eltern waren christlich-evangelisch, und ich besuchte gerne als Kind den Gottesdienst. Aber immerzu fromm zu sein, schien mir doch zu anstrengend. Ich empfand sehr wohl Interesse für relegiöse Thematiken, verstehe mich aber nicht als "überzeugter Christ". Was mich an der christlichen Lehre stört, ist das, was ich die "geo-zentrische Polung" nennen möchte.

K. Sch.: Herr Paech, kommen wir jetzt zum Go. Sie haben das Go-Spiel in Deutschland ja bis fast aus den Anfängen heraus Miterlebt.

K. Sch.: Herr Paech, 1966 wurden Sie zum Präsidenten des Deutschen Go-Bundes gewählt. In welcher Situation befand sich das Go-Leben zu dieser Zeit?

Paech: Dazu muss ich etwas weiter ausholen und die Vorgeschichte seit 1945 einblenden. Mit dem Kriegsende 1945 ging im Bombenhagel auf deutsche Städte auch das Go-Leben - gottlob nur vorläufig - zu Ende. Die Teilung Deutschlands hatte zur Folge, dass die bisherigen Go-Zentren in Berlin und Dresden von Westdeutschland abgeschnitten waren. Zunächst nahm Leonhard Grebe nach seiner Umsiedlung aus dem Osten nach Nürnberg es auf sich, die verloren gegangenen Verbindungen zwischen den deutschen Go-Spielern wiederherzustellen. Er verschickte zunächst Go-Spielerverzeichnisse (insgesamt 149 Namen) und - wegen des guten Echos - anschließend Goblätter, in denen er interessante Gopartien, Probleme und Go-Nachrichten brachte. Er konnte dabei auf seine guten Kontakte zur American Go Association (AGA), die seit 1949 bestand und das Arnerican Gojournal (AGJ) herausgab, zurückgreifen.1953 beschloss er dann, eine neue Deutsche Gozeitung herauszugeben. Im Dezember 1952 kam es zur Neugründung des Deutschen Go-Bundes (die Erstgründung war im Frühjahr 1937 von Werner Blachetta, Referent des "Reichsjugendführers"Baldur von Schirach, in der Deutschen Gozeitung angekündigt worden). Mit dem Ehrenvorsitz wurde Felix Dueball geehrt, mit der EhrenmitgliedschaftBruno Rüger. 1. Vorsitzender und Schriftführer wurde Leo Grebe, 2. Vorsitzender Schwarz, Kassier Dorothea Brons (die spätere Gattin Grebes), Beisitzer Grethlein, alle aus Nürnberg. Erwähnenswert wäre vielleicht noch hinsichtlich der DGOZ, dass sie von Grebe in Maschinenschrift, DIN A4, beidseitig beschrieben und mit gezeichneten Diagrammen (Notation mit Koordinaten a - t, 1 - 19) hergestellt wurde, wobei sich für die Heranziehung japanischer Texte Dozent Dr. Lenz aus Aachen zur Verfügung stellte. Der Deutsche Go-Bund stand unter der Schirmherrschaft eines Herrn der japanischen Botschaft, später übernimmt der japanische Botschafter selbst die Schirmherrschaft. 1953 wurde auch der Berliner Go-Club gegründet, 1. Vorsitzender war Felix Dueball. Die Kontakte der deutschen Go-Spieler, allen voran der Berliner, zu Japan wurden immer mehr vertieft, was zu Besuchen starker japanischer Go-Meister führte. Bei seinem Neustart wies der DGOB 79 Mitglieder auf, darunter übrigens auch 18 Österreicher.

K. Sch.: Wo traf man sich zum Go-Spielen?

Paech: Zunächst fand man sich privat in den Wohnungen zusammen. Aber es gab auch schon Turniere und Meisterschaften. Vom 26.7. - 8.8.1953 wurde in Traunkirchen in Oberösterreich der 1. Go-Kongress nach dem Krieg durchgeführt. Unter den 13 Teilnehmern waren je sechs aus der BRD und aus Österreich, einer aus den USA. Auch einen Länderkampf Österreich - Deutschland gab es. Beim nächsten Kongress 1954 am Ossiachersee in Kärnten gewann z.B. Günther Cießow aus Berlin das Vorgabeturnier. In den folgenden Jahren traf man sich zu den Kongressen in Sipplingen am Bodensee und in Nassereith in Tirol. Hier konnte ich unter 13 Teilnehmern das Vorgabeturnier gewinnen. 1957 beschlossen die österreichischen Gospieler, einen österreichischen Go-Klub (ÖGOK) zu gründen. Die Mitgliedschaft beim ÖGOK schloß gleichzeitig die Mitgliedschaft beim DGOB mit ein, ebenso den Bezug der DGOZ. Beschlossen wurde auch eine Österreich- Beilage zur Deutschen Go-Zeitung, die alle zwei Monate erscheinen sollte. Im gleichen Jahr übersiedelte Leo Grebe von Nürnberg nach Eschbach, einem kleinen Ort in der Nähe von Freiburg/Breisgau (seine Mutter lebte meines Wissens in der Schweiz); diese Verlegung des Sitzes des DGOB und zugleich der Schriftleitung der DGOZ war manchen deutschen Go-Spielern unangenehm, besonders denjenigen, die ihr Zentrum lieber in Berlin gesehen hätten.

Der Deutsche Go-Bund, der unter Grebe als nicht eingetragener Verein gegründet worden war (damals betrug der Mitgliedsbeitrag monatlich DM 0,25!), sollte zur Inanspruchnahme gesetzlicher Rechte in einen eingetragenen Verein umgewandelt werden, der seinen Sitz, der Vorkriegssituation entsprechend und auch im Hinblick auf die dortige größte Gruppe, in Berlin nehmen sollte. Am 1.1. 195 9 übernahm der neue Vorstand unter Federführung von Struck die Leitung des DGOB.

Da Grebe den Wunsch geäußert hatte, zugleich mit dem Vorsitz des DGB auch die Schriftleitung der DGOZ niederzulegen, wurde auf dem Kongress in Altenmarkt beschlossen, an Stelle der bisherigen DGOZ eine Zeitung als Organ der mittlerweile neu entstandenen Europäischen Go-Föderation in Wien herauszugeben, da Berlin sich nicht imstande sah, die DGOZ von dort aus fortzusetzen. Mit der Einstellung der Deutschen Gozeitung ging eine bedeutende Epoche des deutschen Golebens zu Ende. Nachdem Leo Grebe nach Kriegsende 1952 seine Goblätter und dann sechs Jahre lang die DGOZ herausgegeben hatte, trat nun eine schmerzliche Änderung ein. Wer jemals in die mühevolle Arbeit eines Herausgebers einer Go-Zeitung Einblick genommen hat, der kann ermessen, welche Schwierigkeiten Grebe damit auf sich genommen hatte. Grebe, seit seiner Jenaer Zeit von Beruf Musiker, musste sich im Alter dem Schicksal fügen, an Taubheit zu erkranken. In der Folge gab also der Österreichische Go-Klub im Namen der EGF das "Go-Magazi“ heraus. Es war im Format DIN A5, mit einem geschmackvollen Umschlag versehen, war zweiseitig in Maschinenschrift geschrieben und brachte auch Foto-Wiedergaben. Als Ergänzung brachte der DGOB Mitteilungsblätter heraus, die alle Bezieher des Go-Magazins erhielten. Schon 1960 ging die Schriftleitung der Zeitung wieder zurück nach Berlin. Sie kam unter der Herausgeberschaft von A. Struck 1960 als 34. Jahrgang heraus. Für die Erstellung des Inhalts sagten B. Rüger aus Dresden und Dr. Lenz aus Aachen ihre Mitwirkung zu, ersterer hinsichtlich des Nachdrucks aus seinem Go-Lehrbuch, letzterer bezüglich der Übertragung japanischer Texte ins Deutsche. Bald wurde die Deutsche Go-Zeitung unter dem Titel "Europäische Go-Zeitung, vormals Deutsche Go-Zeitung" geführt.

K. Sch.: War damit dann die Krise im Deutschen Go beigelegt?

Paech: Nur vorübergehend. Eigentlich kamen die großen Probleme erst. In Berlin bestand nun neben dem Deutschen Go-Bund ein eigener Berliner Go-Club, im Hinblick auf die besonderen dortigen politischen Verhältnisse. Die Satzung des Deutschen Go-Bundes e.V. enthielt nun die Klausel, dass bei angeschlossenen Vereinen der Vorstand des entsprechenden Vereins mit so viel Stimmen Stimmrecht ausüben konnte, als der Verein Mitglieder hatte. Das führte in der Folge dazu, dass bei allen Mitgliederversammlungen die Berliner, d.h. genau genommen die Vorstandsmitglieder des Berliner Go-Clubs, im Deutschen Go-Bund eindeutig die Majorität besaßen. Konkret konnte etwa folgendes geschehen, dass bei einer Mitgliederversammlung des Berliner Go-Clubs, bei der zwölf Mitglieder vorhanden waren, acht davon, also die Mehrheit, den Vorstand bevollmächtigten, bei der nächsten Zusammenkunft des DGOB für den Berliner Go-Club zu stimmen. Der Berliner Go-Club hatte dann aber etwa 70 Mitglieder und dementsprechend konnte der Vorstand des Berliner Go-Clubs mit 70 Stimmen abstimmen. Demgegenüber waren die in Westdeutschland verstreuten Einzelmitglieder genötigt, sich zu etwaigen Mitgliederversammlungen Vollmachten von weiteren Einzelmitgliedern zu besorgen. Sie können sich vorstellen, dass sich die Westdeutschen demzufolge immer in der Minderheit befanden. Dazu passte, dass der Vorstand des DGOB sich schließlich aus Berlinern zusammensetzte, als sich Exner verärgert aus dem Vorstand zurückzog. - Pikanterweise machte der Berliner Verein sogar Stimmrechte für ostdeutsche Mitglieder, deren Namen im Rahmen des DGOB nicht bekannt, bzw. aus politischen Gründen nicht bekannt gegeben werden konnten, für sich geltend. Es gab viele Spannungen. Erstmalig 1963, beim Go-Turnier in Barsinghausen, war es den Westdeutschen möglich, ebenso viele Stimmen aufzubieten wie die Berliner. Bei der Diskussion, wer vom DGOB zur Amateur-WM nach Japan geschickt werden solle, standen sich die beiden Blöcke in einer Kampfabstimmung gegenüber. Am Ende verständigte man sich darauf, dass W. v. Alvensleben, als amtierender Europameister doch den Berliner Kandidaten begleiten konnte. Eine Besserung der Situation durch eine Satzungsänderung war bei den gegebenen Mehrheitsverhältnissen aber nicht möglich. Nun erschien es zweckmäßig, den DGOB neuerdings umzuwandeln, und zwar als Dachverband für entsprechende Landesverbände, wofür allerdings die Gründung von wenigstens drei Landesverbänden notwendig war. Der Berliner Go-Club bestand ja schon. So entschloss ich mich mit einer Reihe von bayerischen Go-Freunden zur Gründung des Bayerischen Go-Vereins. Hessen bestand auch schon als Landesverband, Niedersachsen und im Jahr 1966 auch Nordrhein-Westfalen folgten. Damit war die Majorisierung durch die Berliner Stimmen beendet. Dazu kam, dass auch in Berlin selbst eine ganze Reihe von Widersachern gegen die Politik des dortigen Vorstandes auftraten, mit der Folge, dass zunächst ein neuer Vorstand im Berliner Go-Club gewählt wurde, und später, d.h. zum Jahresende 1965, der Berliner Go-Club sich auflöste. In rechtzeitiger Erkenntnis dieser Entwicklung trat nun Herr Struck als Präsident des DGOB im Oktober 1965 zurück und gründete mit einigen anderen einen Deutsch-Japanischen Go-Club. In diesem sollten nur die Gründungsmitglieder ein Stimmrecht erhalten, während alle weiteren jetzt etwa eintretenden West-Deutschen oder Berliner als "fördernde Mitglieder" keinerlei Einflußmöglichkeit mehr haben sollten. Um für diese Neugründung möglichst viele Mitglieder zu werben, bemühte sich der frühere Vorstand des DGOB und nunmehrige Vorstand des neuen Berliner Vereins in der Folgezeit, mit allen Mitteln den DGOB zur Auflösung zu bringen, um so den "verstreuten' Go-Spielern im Deutsch-Japanischen Go-Club eine neue "Heimat" bieten zu können. So gaben die früheren Vorstandsmitglieder des DGOB das gesamte Adressenverzeichnis, die Adrema etc. an den anderen Club, der mit Rundschreiben gegen den DGOB Stimmung machte, und der DGOB selbst versandte Rundschreiben, die die Auflösung als alleinige Möglichkeit propagierten. Übrigens traf sich dieser Berliner Deutsch-japanische Go-Club später dann im noblen Hilton-Hotel...

K. Sch.: Und dann traten Sie, der Bayer aus Hannover, als vorweggenommener Stoiber an?

Paech: ja, mit dem Unterschied, dass ich Erfolg hatte. Die westdeutschen Landesverbände waren nicht bereit, dieses Verhalten des alten Vorstandes hinzunehmen. Nach gegenseitiger Abstimmung unter den Landesverbänden fiel auf der Delegiertenversammlung vom 26./27.2.1966 in Braunschweig ein klarer Entscheid: Mit einer großen Mehrheit wurde für eine Fortsetzung des DGOB gestimmt. Dementsprechend erfolgte eine Neuwahl, bei der ich zum Präsidenten gewählt wurde. Der weitere Vorstand setzte sich wie folgt zusammen: 1. Vorsitzender: Leonhard Grebe, Schriftführerin Frau Grebe, 2. Vorsitzender: Frhr. Von Wangenheim, Kassierer: Dieter Ottmer (beide LV NRW, die ersteren beiden BGOV), Redakteur Peter Schnell (LV Hessen).

K. Sch.: Sie waren dann Präsident des Deutschen Go-Bundes bis zum Jahr 1981. Was waren die größten Aufgaben während Ihrer Tätigkeit?

Paech: Zunächst galt es, die Scherben zu kitten, die der Konflikt hinterlassen hatte. Vermögensfragen waren zu klären, Spielmaterial war wieder oder neu zu beschaffen, das vom vormaligen Vorstand dem japanischen Botschafter in Berlin zur späteren geeigneten Verwendung, d.h. Weitergabe an den Deutsch-Japanischen Go-Club übergeben worden war. Die Adrema, Schreibmaschinen, Unterlagen waren wiederzuerlangen. Die Herausgabe der Go-Zeitung wurde in die Hände von Grebe, dann Peter Schnell und Herrn v. Wangenheim gelegt. Der DGOB trat unverzüglich wieder der Europäischen Go-Föderation bei, die der alte Vorstand verlassen hatte, da dort nur nationale Verbände Mitglied sein konnten. Die Gründung des Deutsch-Japanischen Go-Clubs spiegelte sicher auch die durch die Gegebenheiten in Berlin traditionell gewachsenen guten Beziehungen zu Japan wider. Vor allem Herr John hatte sich um die Pflege der Kontakte sehr hervorgetan. Im Zuge dieser Entwicklungen wurde das in Berlin seit längerer Zeit bestehende Go-Zentrum in "Erstes Europäisches Go-Zentrum" umbenannt. Es sollte der Begegnung aller Gospieler, insbesondere aber der japanischen dienen. Hier aber war doch auch zu fragen, was ist mit China, mit Korea, die im weltweiten Gogeschehen zunehmend an Gewicht erlangten? Es war lange Zeit schwierig für den neuen DGoB-Vorstand, den Kontakt zu Japan zu gestalten. Der Nihon Ki-in reagierte einfach nicht auf unsere Schreiben. Hier halfen dann doch die persönlichen Beziehungen weiter, die der neue Vorstand, u.a. auch ich auf meiner privaten Japan-Reise 1965, gefunden hatte. Es gelang, den prominenten Vertretern des Go in Japan zu vermitteln, dass in Deutschland ein Wechsel im Vorstand ein ganz normaler Vorgang ist.

K. Sch.: Hatten Sie schon vorher Kontakte zu Japan, oder sind diese erst durch das Go entstanden?

Paech: Nein, zunächst kam der Anlass zu diesen Kontakten über das Go, wobei wir in München ja auch immer wieder Besuch von japanischen Go-Meistern bekamen. 1965 unternahm ich zusammen mit Dr. Scherer, Dr. Eberhard und drei Berlinern meine erste Japanreise. Später fand ich über Esperanto und auch meine Beschäftigung mit Sclence fiction weitere Beziehungen zu Japan. In München war ich etwa im Jahr 1960 Gründungsmitglied der Deutsch-Japanischen Gesellschaft, in der ich mich jetzt "Ehrenmitglied" nennen darf. Aber mein Interesse an Japan ist zunächst über das Go-Spiel entstanden.

K. Sch.: Wieviele Mitglieder hatte der DGOB am Beginn Ihrer Amtstätigkeit?

Paech: Das waren etwa 100. Als ich am 6.6.1981 meine Funktion an Martin Stiassny, bis dahin Vorsitzender des LV Nordrhein-Westfalen, übergab, war die Zahl auf 726 angestiegen. 20 Jahre lang war mein Name und meine Adresse zur Kontaktaufnahme allen deutschsprachigen Go-Einführungen beigegeben, ebenso den Spielverlagen, die Go-Spiele herausgaben. Auf diese Weise erhielt ich sicher weit über 1000 Briefe aus dem In- und Ausland. Diese Kontakte führten - neben anderen Umständen natürlich - zum Beispiel zur Gründung von Go-Organisationen auch in der Schweiz und in Polen. Zusammen mit den örtlichen Esperanto-Gruppen organisierte ich Go-Turniere, z.B. 1982 in Augsburg, 1983 in Budapest, 1985 in Karlsbad (Tschechien) und 1986 sogar in Peking. Diese umfangreiche Korrespondenz half natürlich, viele neue Mitglieder zu gewinnen. Während meiner Präsidentschaft wurden in Deutschland folgende Europäische Go-Kongresse durchgeführt: 1967 in Staufen, 1968 in Berlin, 1973 in Sprendlingen und 1979 in Königswinter. Aber die Linie des DGOB-Vorstandes war die, insbesondere über die Landesverbände das Go-Leben zu aktivieren, so dass der Dachverband außer Zeitung und Länderturnieren im wesentlichen von administrativen Aufgaben verschont blieb. Es sollte sich zeigen, dass die von mir nach vielmonatiger Abstimmung/Korresponenz mit den Landesverbänden entwickelte Neusatzung des DGOB als reiner Dachverband von regionalen Go-Verbänden, die ja auch m.E. der föderalen Struktur der BRD entsprach, das Wachstum eher fördern konnte, weil die Go-Spieler ihrer lokalen Go-Organisation und ihrem Leben näherstanden. Zu den Anliegen des DGoB-Vorstandes zählte die Erarbeitung einer neuen Turnierordnung, die bis Mitte der 60-er Jahre erledigt wurde. Regelmäßig wurden die deutschen Go-Meisterschaften durchgeführt, aber die Szene kannte natürlich noch nicht diese Vielzahl und Breite von Turnieren wie heutzutage. Im Unterschied zur Gegenwart wurden aber immer wieder auch reine Vorgabeturniere durchgeführt. Man bemühte sich auch schon um die Erlangung der "Gemeinnützigkeitseigenschaft" des DGOB, aber die vom damaligen Finanzminister Matthöfer geänderte Abgabenordnung sah diesen Status nur für "körpersportliche" Betätigungen vor. Schach hatte seinen Sonderstatus wohl va. Bundeskanzler Helmut Schmidt zu verdanken, der selbst ja ein begeisterter Schachspieler ist.

K. Sch.: Damit wäre der Zeitpunkt gekommen, Herr Paech, auf Ihr Wirken in Bayern und für den Bayerischen Go-Verein einzugehen. Auf den Zusammenhang mit den Vorgängen im DGOB sind Sie bereits eingegangen. Wie sah das Go-Leben in Bayern zu dieser Zeit aus?

Paech: Über den Briefkontakt mit Bruno Rüger in Dresden kam ich in Kontakt mit anderen Spielern in anderen Städten. Ein großer Impuls ging von den Go-Kongressen aus, die ab 1953 von einigen deutschen und vor allem auch österreichischen Go-Spielern veranstaltet wurden. Diese Treffen sollten nicht nur verschiedene Turniere vorsehen, sondern sollten von Anfang an auch einen freundschaftlichen, familiären Charakter haben. In St. Urban am Ossiachersee begleitete mich auch meine Frau - neben dem sportlichen Kräftemessen am Spielbrett stand der Urlaubsaspekt mit im Vordergrund. Ich dachte nun, in München sollte auch eine Go-Szene entstehen und sprach deshalb zunächst Kollegen in meiner Bank an; wir trafen uns nach Büroschluß in den Räumlichkeiten der Hypo-Bank. Wir fanden dann auch Lokale in München, wo wir unserer Spielfreude frönen konnten, z.B. das "Weiße Bräuhaus", dann den "Dürrnbräu". Im Laufe der Zeit bezogen wir an die 2o Lokale in unseren Spielbetrieb ein, so auch etliche Jahre den Schachclub München von 1836 und seit ca. 1976 das"Quo vadis", die spätere "Arena", in der sich die Go-Spieler bis zu diesem Jahr treffen. Es waren schon viele Spieler, aber es gab noch keine Organisation; es handelte sich um "informelle" Treffen, die durch die Go-Zeitung angekündigt wurden. Mit von der Partie waren etwa Herr Hertlein, dann ein japanischer Augenarzt (er hatte i.ü. eine spezielle Operationstechnik entwickelt und war Esperantist wie ich), ein Journalist des "Münchner Merkur", der in dieser Zeitung einen Artikel über Go veröffentlichen konnte, ein Fotograf namens Dix (ein Verwandter des Malers) und auch Herr Dr. Eberhard tauchte schon auf, bis heute ein regelmäßiger Besucher des Spielabends in der Arena. Am 21.3.1965 trafen sich nun in München vier Go-Freunde aus Nürnberg (Grethlein, Obertanner, Dr. Pfannmüller und Roßmann), zwei aus Berchtesgaden (Becker und -später der "große" genannte - Kippe) sowie aus München selbst ebenfalls vier, nämlich die Herren Dr. Eberhard, Prof. Dr. H. Lenz (der Vater von K.E Lenz), Dr. Sintenis und ich zwecks Gründung eines eigenen Vereins. Die Satzung hatte ich schon entworfen. Die Anwesenden wählten mich zum 1. sowie Herrn Grethlein zum 2. Vorsitzenden. Am 3. 10. 1965 wurde dann in einer außerordentlichen Mitgliederversammlung die Eintragung im Vereinsregister und der Beitritt als Landesverband in den DGOB beschlossen. Im März 1966 konnte ich (inzwischen auch zum Präsidenten des DGOB gewählt) in der Mitgliederversammlung in München von 35 Mitgliedern berichten, davon 21 aus Bayern sowie u.a. acht aus Baden-Württemberg. Der Monatsbeitrag belief sich auf 1,50 DM, von dem 1,-- DM an den DGOB abzuführen war. Wir versuchten, unsere Treffen/Turniere an wechselnden Orten durchzuführen, weil uns dies für die Verbreitung des Go-Bazillus und auch als Band für die Einzelmitglieder wichtig schien. So kam es zu Veranstaltungen etwa in Nördlingen, Berchtesgaden, Weißenburg und natürlich München. Der wachsenden Anzahl von Mitgliedern aus Baden-Württemberg wurde dann Rechnung durch ein Treffen in Ruit getragen, einem kleinen Ort zwischen Stuttgart und Eßlingen. Zusätzlich zu den bestehenden Spielabenden in Tübingen enstanden regelmäßige Treffen in Karlsruhe und Stuttgart. Ab 1969 gab es regelmäßig 3 Treffen: je eines im Frühjahr, Sommer und Herbst. 1970 war es dann soweit: Bayern hat als erster Landesverband die Zahl von 100 Mitgliedern erreicht, davon 28 aus B-W. Die weiteren Treffen fanden dann u.a. statt in Würzburg, Konstanz, Erlangen, Karlsruhe, Regensburg, Ulm, Freiburg i. Br., Neuburg/Donau, Tübingen, Nürnberg, Meersburg und Aschaffenburg. Manche Turniere kamen auf eine Teilnehmerzahl von an die 50 Spieler.

Im März 1974 veranlasste ich, da der BayGoV dort schon über 30 Mitglieder besaß, die Gründung eines eigenen Landesverbandes Baden-Württemberg. Auf der Mitgliederversammlung im März verzichtete Herr Grethlein auf sein Amt und Dr. Eberhard aus München wurde sein Nachfolger als 2. Vorsitzender des BG0v. Nach dem "Aderlaß" durch die LV-Gründung B-W wies das Mitgliederverzeichnis Ende 1974 noch 112 Mitglieder auf, davon 46 Spieler aus dem Münchner Raum. Als Kuriosität aus dem Jahr 1975 sei noch folgendes erwähnt: Die Konflikte um und mit Berlin setzten sich weiter fort, bis der DGOB den LV Berlin aus dem Deutschen Go-Bund ausschloß. Eine Reihe von dem DGOB gegenüber "loyalen" Berlinern ging daran, einen neuen Landesverband zu gründen. In der Zwischenzeit waren 23 Berliner Go-Spieler, unter ihnen Jürgen Mattern, beim BGOV "geparkt". Zu den Turnieren stießen auch immer wieder Nicht-Bayern, Berliner, Hessen, Besucher aus Garbsen und vor allem immer wieder Teilnehmer aus Österreich, unter ihnen natürlich in erster Linie der langjährige Sekretär der EGF, Anton Steininger aus Linz. Beim Frühjahrstreffen in Dillingen 1977 löste Herr Dr. A. Koller Herrn Dr. Eberhard als 2. Vorsitzenden ab, Frau Zeller wurde Schriftführerin und Herr Förtsch übernahm das Amt des Kassiers. Herr Förtsch wirkt ja bis zum heutigen Tag aktiv im Vorstand mit! Beim Herbst-Treffen in Ansbach 1978 wurde zum erstenmal ein Kampf um den Titel eines "Bayerischen Go-Meisters" ausgetragen, den damals etwas überraschend der Münchner Thyroff ohne Niederlage gewinnen konnte. Zum Rosenheimer Turnier tauchte erstmals K.-E Lenz auf, der später, nach dem Wechsel von Dr.Koller auf Herrn Niesel, im BayGoV Funktion und Posten übernahm. 1980 wurde erstmals ein Treffen in Augsburg durchgeführt, der einzigen Großstadt in Bayern ohne Go-Gruppe, um möglichst einen Durchbruch zu erreichen, was dann auch tatsächlich gelang. Der Titel des Bayerischen Meisters ging von Thyroff zu Herrn Dr. Eberhard, der ihn aber beim Turnier in Mainaschaffenburg an Herrn Ciessow abgeben musste. Herr Ciessow hatte aus beruflichen Gründen für einige Jahre seinen Wohnsitz von Berlin nach Fürth verlegt. Bei diesem Treffen konnte ich als Erfolg die Erreichung von 200 Mitgliedern im BayGoV vermelden, was Bayern als erster Landesverband schaffen konnte. Beim Turnier in Bayreuth 1980 konnte K.-E Lenz Meister Ciessow in einem spannenden Match entthronen, der dann keine Stunde darauf seinen Austritt aus dem BGOV erklärte. Ab 1983 wurde noch ein 4. jährliches Treffen als Winterturnier beschlossen. Der Höhepunkt der Mitgliederentwicklung wurde mit 210 Mitgliedern im Jahr 1981 erreicht. K.-E Lenz konnte in den folgenden Jahren seinen Meistertitel erfolgreich u.a. gegen Dr. Steinkilberg und Herrn Germer verteidigen. Herr Lenz, der schon die Jahre zuvor, zusammen mit Herrn Ottmer und auch Herrn Bitzer sich zur Mitarbeit im BGOV bereitgefunden hatte, löste mich dann im Januar 1985 im Vorsitz des Bayerischen Go-Vereins ab.

K. Sch.: Neben Ihrer Tätigkeit beim Bayerischen Go-Verein und im Deutschen Go-Bund hatten Sie sich auch für die Europäische Go-Föderation eingesetzt.

Paech: Vom ersten nach dem Krieg in Traunkirchen, Oberösterreich, durchgeführten Kongress an suchten die Go-Spieler über Landesgrenzen hinaus Kontakte. In der Anfangszeit gingen solche Impulse fast ausschließlich von deutschen und österreichischen Spielern aus. Der erste "offizielle" "Europäische Go-Kongress" fand 1957 in Cuxhaven statt. Im Juni 1958 trafen sich europäische und überseeische Go-Spieler in Amsterdam, um sich mit Fragen der künftigen Organisation der Go-Vereine zu befassen. Das war wohl der erste Schritt zur "Europäischen Go-Föderation". In Altenmarkt wurde dann vereinbart, eine "Europäische Go-Föderation" ins Leben zu rufen, die ihren Sitz in Wien haben sollte. Die Leitung der Vorarbeiten einschließlich der Erstellung der Satzung wurde Friedrich Susan übertragen. Der EGF sollten angehören: der ÖGK, DGOB, Londoner Go-Club, Britischer Go-Bund und der Holländische Go-Bund, aber auch Jugoslawien, die Tschechoslowakei und Rumänien, wo es eine Reihe auch deutschsprechender Go-Freunde gab. Der 3. Europäische Go-Kongress fand in Oberwarmensteinach im Fichtelgebirge statt. Erfreulicherweise stellte Frau Winifred Wagner ihr dortiges Landhaus für die Austragung der Partien zur Verfügung. Unter den 94 Teilnehmern waren 68 aktive Spieler: 51 kamen aus der BRD, sieben aus Österreich, drei aus Japan und sieben weitere aus USA, England, Griechenland, der Schweiz, aus den Niederlanden und aus Mexiko. Der Kongress wurde vom japanischen Botschafter in der BRD, Excellenz Tageuchi, eröffnet. Die Beteiligung der öffentlichen Behördenvertreter und die Berichterstattung in den Medien waren außerordentlich groß. Der 4. Kongress in Oud Poelgeest in den Niederlanden brachte zwei bedeutende Ereignisse: zum einen aus deutscher Sicht, weil G. Ciessow die Würde des Europameisters mit einem deutlichen Sieg vor Grebe und Susan gewann, und zum anderen Herr Schilp aus Amsterdam die Organisation übernommen hatte. Den Titel der nächsten beiden Meisterschaften in Baden bei Wien und in Garmisch-Partenkirchen holte jeweils Herr W. v. Alvensleben. Herr Schilp hat für lange Jahre dann die Tätigkeit eines Sekretärs der EGF ausgeübt. Ich kann die weitere Entwicklung der Europäischen Kongresse hier nicht en detail darstellen. Ich will nur in Erinnerung rufen, dass, nachdem auf früheren Kongressen schon oft japanische Profi-Spieler zugegen waren wie z.B. in Garmisch Meister Iwamoto, zum ersten mal auf dem Kongress in Königswinter 1979 auch Profis aus China und Korea anreisten. Die Bemühungen um eine Satzung und die organisatorische Formung der EGF zogen sich unendlich lange hin. Hier war es die Arbeit von Schilp, die hierfür den Grundstock legte. Viele praktische Probleme versperrten den Weg. So konnten noch lange Zeit später etwa die osteuropäischen Mitgliedsverbände ihren Mitgliedsbeitrag nur bei Turnierteilnahme in bar begleichen, weil eine Banküberweisung devisenrechtlich nicht möglich war.1977 in Scheveningen tauchte erstmals ein russischer Spieler auf, sein Name war Astaschkin. Zu der Zeit war die UdSSR aber noch nicht Mitglied der EGF. Ich war beim Kongress der einzige Vertreter der EGF (Schilp konnte wegen eines Wasserschadens in seinem Haus nicht dazukommen) und entschied, ihn mitspielen zu lassen - das Entscheidungsrisiko war damals nicht allzu groß, weil die Russen noch nicht so stark waren. Als Präsident der EGF fungierte ich von 1967 - 1969, danach war ich bis 1982 Schatzmeister. Während dieser Zeit fuhr ich als captain des europäischen Teams zur 2. Amateurweltmeisterschaft in Japan (1980). Nach meinem Rückzug wurde ich zum "Ehrenpräsidenten" der EGF gewählt.

K. Sch.: Bei der vielen Anerkennung und den vielen Ehrentiteln, die Ihnen zuteil wurden, gibt es doch eine Auszeichnung, auf die Sie wohl besonders stolz sein werden.

Paech: ja, 1988 wurde mir der Okura-Preis verliehen. Zur Entgegennahme der Auszeichnung wurde ich nach Japan eingeladen, konnte aber leider die Reise wegen einer beruflichen Verhinderung nicht antreten. Ein Vertreter der Deutschen Botschaft hat in Tokio den Preis für mich überreicht bekommen. Der Preis der von Baron Okura, eines japanischen Multimillionärs, gegründeten Gesellschaft ist die höchste Auszeichnung, die der japanische Go-Verband Nihon Ki-in für Verdienste um die Verbreitung des Gos zu vergeben hat. Der erste Deutsche, der ihn erhalten hat, war im Jahr 1930 Felix Dueball. Nach ihm wurden außerdem noch Bruno Rüger und Fritz John geehrt.

K. Sch.: Wann, Herr Paech, wurden Sie Dan-Spieler?

Paech: 1961 erhielt ich vom Nihon Ki-in das Sho-Dan-Diplom. Seinerzeit war es nicht Praxis, sich selber als Dan-Spieler einzustufen. Die Diplome wurden - nach entsprechenden Turnierergebnissen - vom DGOB beantragt und bei den Mitgliederversammlungen überreicht - eine ganz schön kostspielige Angelegenheit übrigens: je höher das Diplom desto teurer. Die Kosten übernahm jedoch damals für uns Deutsche der japanische Verband. Auf meiner ersten Japanreise 1965 wurde mir von Segoe-Sensei das Ni-Dan-Diplom überreicht. 1982 erhielt ich auch von der koreanischen Go-Association "Baduk" das Diplom für den 2. Amateur-Meister-Rang. Am Rande sei hier noch angemerkt, dass das bekannte Einteilungs-System in Kyu- und Dan-Grade in Deutschland erst Mitte der 70-er Jahre auf meine Initiative hin eingeführt worden ist. Bis dahin galt ein "Klassen"-System. Dabei entsprach ein Unterschied von einer Klasse einem halben Vorgabestein. Der 1. Dan-Grad wurde der 18. Klasse gleichgesetzt.

K. Sch.: Vielen Dank, Herr Paech, für Ihre Ausführungen. Im Namen aller Go-Spieler sei Ihnen Dank gesagt für Ihr Engagement für das Go-Spiel. Alles Gute Ihnen. Ad multos annos!



Geschichte des Go in Deutschland webmaster@tenuki.de Matthias Reimann